Gerechtigkeit

Gespräch mit Christoph Mause, Sprecher des NRW-Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung: Damit die Gesellschaft gerechter wird und es bleibt

Christoph Mause, Anfang 50,  sieht sich selbst als „konservativen Linken“, was kein Widerspruch sein muss. Was aber auch bedeutet, der Mann, bis vor einem Jahr noch Chef eines erfolgreichen IT-Unternehmens, das er verkauft hat, dieser Mann, der seit vier Jahren Mitglied der SPD ist, steht für Leistung und Leistungsgerechtigkeit. „Ich will, dass jeder, der gut arbeitet und etwas leistet, auch gut bezahlt wird. Das gilt nicht nur für Unternehmer, sondern auch für Krankenschwestern und Maler oder Frisörinnen“, erläutert Mause im Gespräch mit dem Blog-der-Republik. Es ist ein Plädoyer für eine neue SPD mit einer neuen Führung unter einem Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans samt seiner Co-Pilotin Saskia Esken. Der einstige NRW-Finanzminister als neuer SPD-Chef? 
„Das Grundprinzip ist Leistungsgerechtigkeit und das bedeutet, dass jedem alle Möglichkeiten offen stehen müssen, wenn er bereit ist dafür etwas zu tun. Es bedeutet aber auch, dass jeder entsprechend seinen Möglichkeiten einen fairen Beitrag zum Gemeinwesen leisten muss. Hier ist viel zu tun – bei der Einkommenssteuer, dem Spitzensteuersatz und vor allem der Erbschaftssteuer“, betont Christoph Mause.
„Es ist nicht einzusehen, dass Kinder nach dem Tod ihrer reichen Eltern Millionen und Milliarden erben, nur weil sie Kinder sind. Sie haben doch schon genug Vorteile, in einem wohlhabenden Elternhaus groß geworden zu sein und zumeist eine ausreichend gute Bildung und Ausbildung erfahren zu haben. Für das Erbe haben sie  nichts geleistet.“ Die Frage dürfte sein, wie hoch diese Erbschaftssteuer angesetzt werden muss, nicht nur unser Oma-Ihr-Klein-Häuschen darf davon nicht betroffen sein. Manches erinnert an die Zeit von Willy Brandt, an den Aufstieg durch Bildung, wie es damals hieß, um Kindern von Arbeitern auch durch öffentliche Förderung das Abitur zu ermöglichen und den Zugang zur Hochschule. Ein Klassiker Im SPD-Programm, geformt in Godesberg 1959, 70 Jahre danach bräuchte es den nächsten großen Wurf der Partei, nicht kleinteilig, sondern den Bedürfnissen der Welt angepasst, den neuen Fragen, die sich einer Gesellschaft stellen.

Christoph Mause verfolgt die Debatte in der SPD und den laufenden Auswahlprozess für die neue Führung der Partei mit großem Interesse. „Ich bin der Meinung, dass dieser Prozess schon jetzt für die SPD ein Erfolg ist, weil er eindrucksvoll die Vielfalt der ältesten deutschen Partei zeigt und dazu beiträgt, die Diskussion um eine inhaltliche Erneuerung und strategische Ausrichtung der SPD voranzutreiben.“ Der Managerkreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung debattiert intern über das Verfahren, man spreche unter Führungskräften aus Wirtschaft und Verwaltung  über Inhalte und selbstverständlich auch über Personen. Mause zum Blog-der-Republik: „Zu inhaltlichen Fragen gehört zwangsläufig eine Diskussion über die zur Verfügung stehenden Führungspersonen. Schließlich muss der Kopf der Partei den Kurs erläutern.“

Fördern und Fordern – keine Neiddebatte

 Es war ja nicht alles falsch, was damals unter dem Kanzler Gerhard Schröder gesagt und gemacht wurde. Fördern und Fordern, diese Zeile ist nicht irgendeinem kapitalistischen Handbuch entnommen, sondern müsste eigentlich Alltag sein. Wer gefördert werden will, um mehr zu werden, oder überhaupt was zu werden, um die deutsche Sprache zu lernen, von dem darf man auch erwarten, dass er für die öffentlichen Hilfen etwas tut. Nämlich Kurse besuchen, Leistungen zu zeigen. Was daran soll falsch sein? Auch ein anderer Satz von Schröder ist heute noch richtig: Nur wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch den Arbeitnehmern gut. Was ja nicht bedeutet, dass der Firmenchef sich eine goldene Nase nach der anderen verdient, sondern dass er entsprechend seiner Leistung bezahlt wird. Und wenn das Unternehmen große und größere Gewinne abwirft, sich daran auch seine Steuern bemessen, damit daraus Aufgaben der Gemeinschaft, Schulen, Kindergärten, die Infrastruktur bezahlt werden. Wenn man so vorgeht, kommt es eben nicht zu einer Neiddebatte, weil der Arbeitgeber ja mehr bezahlt und sich nicht dauernd rechtfertigen muss.

 Die Doppelspitze der Grünen dient der SPD wohl als Vorbild. Wenngleich man das Modell der Grünen nicht kopieren will, wie allseits behauptet wird, schauen viele Sozialdemokraten seit Monaten, wie erfolgreich die Grünen sich darstellen, weil sie jeglichen partei-internen Streit beigelegt haben, weil sie geschlossen auftreten, gute Laune verbreiten. Niemand redet heute noch von den Flügeln der Grünen, sie treten als eine Partei auf. Wie lange das hält, weiß niemand, aber dass gerade eine Partei wie die SPD mit großen Augen beobachtet, wie der potentielle Bündniskandidat es hinkriegt, links und rechts zu vergessen, sondern nach vorn zu schauen, um Wahlen zu gewinnen, erscheint nahezu selbstverständlich. Die Umfragen geben den Grünen Recht, sie liegen mit weit über 20 Prozent nur noch knapp hinter der CDU und weit vor der SPD. Schon wird gefragt, ob denn ein Grüner überhaupt Kanzler könne, wie es neudeutsch heißt.  Man stelle sich vor, Sozialdemokraten, gleich ob links oder rechts, verstünden sich künftig nur noch als Mitglieder einer Partei, die sich dem Dreiklang verpflichtet fühlte: Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität. Und in der nicht jeder gegen jeden kämpft.

 Für den Managerkreis ist der zunächst umstrittene Prozess der Führungs-Findung längst ein „wichtiger Schritt , eine engere Verbindung zwischen Bürgern, Parteibasis und Parteiführung herzustellen“. In der Tat findet Transparenz statt, in dem sich die Kandidatenpaare öffentlich präsentieren und die Unterschiede zwischen den Bewerbern deutlich werden. Das ist schon etwas anderes, als wenn eine neue Parteispitze quasi von der alten Führungsebene der SPD einfach vorgeschlagen würde. Nein, heute müssen sie viele Regionalkonferenzen der SPD bestehen, sich vorstellen in einer kurzen Rede und anschließend für Fragen zur Verfügung stehen. Damit sind sie aber noch längst nicht am Ziel, weil ja die Mitglieder auch noch über die neue Führung abstimmen sollen, ehe ein Parteitag Anfang Dezember in Berlin letzte Klarheit schaffen soll.

600 Mitglieder in NRW, 1200 im Bund

Der Managerkreis, der in NRW rund 600 Mitglieder umfaßt, auf Bundesebene ist die Rede von 1200,  schätzt die Kandidaturen von Christina Kampmann aus NRW und Michael Roth aus Hessen. Er hat Frau Kampmann als Expertin für Digitalisierung und Innovation kennengelernt, die frühere Familienministerin im Kabinett von Hannelore Kraft hat dabei offensichtlich einen sehr guten Eindruck hinterlassen, sodass der Managerkreis „sich eine aktivere Rolle von Christina Kampmann in der SPD wünscht“.

„Ganz ausdrücklich unterstützt“ der Managerkreis auch die Kandidatur des ehemaligen NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans, dessen finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz den Kreis überzeugt habe. „Jeder Wirtschaftsvertreter weiß, dass erst mit einer stabilen Einnahmesituation ein Unternehmen sinnvoll geführt werden kann“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung, die Christoph Mause  als Sprecher des Kreises verbreitet hat. „Norbert Walter-Borjans hat hier den Finger in die Wunde gelegt und nicht zuletzt mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung überzeugt. Sozialdemokratische Politik ist nach unserem Verständnis immer auch eine leistungsorientierte Politik. Norbert Walter-Borjans hat sehr eindrücklich dargestellt, dass alle gesellschaftlichen Gruppen, eben gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit, einen fairen Beitrag zu unserem Gemeinwesen bringen müssen und Gerechtigkeit in der Gesellschaft maßgeblich auf der Steuer-, also auf der Einnahmeseite beginnt.“

Der Vorstand des Managerkreises NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt an Walter-Borjans, „dass er es schafft, zielorientiert und unaufgeregt linke Politik, soziale Gerechtigkeit, innere Sicherheit sowie Finanz- und Wirtschaftspolitik zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zu vereinen.“

Die Einführung der Vermögensteuer sieht Christoph Mause nicht als erfolgreichen Weg zu mehr Gerechtigkeit. Er hält sie eher für ein Stück „Sozialromantik im Stile eines Robin Hood, der den Reichen nahm, um es den Armen zu geben. Ich halte das nicht für sinnvoll, wir wollen, dass jeder einen fairen Anteil am Gemeinwesen bezahlt. Die Vermögensteuer mag gut gemeint sein, aber sie läuft ein bisschen in Richtung Enteignung und ist sehr populistisch. Ich halte die Erbschaftssteuer für viel sinnvoller um Gerechtigkeit herzustellen.“ Da darf man eher auf Walter-Borjans Kampf gegen Steuerhinterziehung setzen, ein Kampf, der unter Umständen fortgesetzt werden könnte. Das Ausmaß seiner damaligen Jagd auf Steuersünder: der NRW-Finanzminister Walter-Borjans erwarb für 18 Millionen Euro Steuer-CDs und erlöste damit 7,2 Milliarden Euro, kein schlechter Schnitt.

Walter-Borjans ein anderer Kapitän als Scholz

Walter-Borjans wäre auch ein anderer Kapitän der SPD als Olaf Scholz, der aktuelle Bundesfinanzminister, der nach anfänglichem Nein nun auch antritt, um SPD-Chef zu werden zusammen mit Klara Geywitz aus Potsdam, die bei er Landtagswahl in Brandenburg gerade ihr Mandat verloren hat. Scholz steht wie sein Vorgänger Schäuble für die schwarze Null. Das tut Walter-Borjans nicht. „Man sollte nicht auf Zukunftsinvestitionen verzichten, nur weil der ausgeglichene Haushalt das nicht hergibt“, sagt Walter-Borjans. Er will viel mehr Transparenz bei Steuerzahlungen von Konzernen und wünscht sich mehr Eifer für die Einführung einer Digitalsteuer.

Soll die SPD in der Groko unter Kanzlerin Angela Merkel bleiben? Der eine oder andere Linke in der SPD möchte lieber heute als morgen raus aus der Koalition. Christoph Mause hält dagegen: „Was hilft uns das? Ohne Regierungsbeteiligung hätten wir keine Minister wie Hubertus Heil und Franziska Giffey mehr, die SPD-Erfolge in der Groko öffentlich darstellen könnten. Wir wären ohne Groko in der Opposition, ohne den ministeriellen Apparat, der einem Zahlen und Fakten liefert, mit deren Hilfe man Politik machen, gestalten kann. Nein, ich bin für den Verbleib in der Groko. Und mit einer neuen Parteispitze könnten wir uns auch öffentlich besser präsentieren.“ 

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arbeitete als stellvertretender Chefredakteur und Berliner Chefkorrespondent für die WAZ. 2009 gründete Pieper den Blog "Wir in NRW". Heute ist er Chefredakteur des Blogs der Republik.


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