Die drei anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen haben auch bundespolitisch eine strategisch herausragende Bedeutung. Insbesondere die Nerven der SPD liegen angesichts einer scheinbar endlosen Dauerkrise völlig blank: Seit der letzten Bundestagswahl 2017 schrumpft die Sozialdemokratie von den enttäuschenden 20,5 Prozent demoskopisch immer weiter in Richtung der 10- Prozent- Marke. Nicht zu fassen, nachdem diese staatspolitisch verdienstvolle Partei vor zwei Jahrzehnten bei der Bundestagswahl 1998 noch mit 40,9 Prozent die Pole- Position unter den Parteien erobert hatte.
Ausbruchsversuch aus der GroKo?
Die sich jetzt schon wochenlang quälend hinziehende, sicherlich gut gemeinte Prozedur eines Mitgliederentscheids über den oder die Nachfolger*Innen von Andrea Nahles wirkt inzwischen etwas burlesk. Der irgendwie an „let`s dance“ erinnernde Wettbewerb von sich suchenden und findenden Paaren, garniert von Einzeltänzern, hat bisher nicht zu der erhofften Basismobilisierung geführt, sondern nur zu einem spöttischen Ratespiel in der Öffentlichkeit. Dass Olaf Scholz entgegen seiner ursprünglichen Absage nun mit Klara Geywitz antritt, ist angesichts der bisher zwar inflationären aber wenig spektakulären Personenauswahl doch etwas überraschend. Schließlich hatte Scholz mit deutlichem Abstand bei der letzten Wahl der Stellvertreter*Innen von Andrea Nahles auf dem Parteitag 2017 das niedrigste Stimmergebnis erzielt. Doch Scholz stellt sich immerhin dem riskanten Basisverfahren, nachdem sich alle sonstigen Parteipromis bisher vornehm zurückhalten: Ganz als ob der SPD-Vorsitz ein verhängnisvolles Himmelfahrtskommando sei.
Vor diesem Hintergrund einer niedergedrückten, aber auch explosiven Stimmung sind im Falle weiterer Stimmverluste bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten angesichts der zahlreichen GroKo-Gegner in der SPD sogar panische Ausbruchsversuche aus der GroKo nicht mehr ausschließbar. Sollte die Union der SPD dafür keinen glaubwürdigen Anlass bieten, könnte dies im Falle von vorgezogenen Bundestagswahlen aber zu einem Fiasko führen, bei dem die SPD sogar unter der 10-Prozent-Marke landen könnte.
Die GroKo als Kern der Krise?
Für einen Großteil der sozialdemokratischen Funktionärsschicht liegt der Hauptgrund für die Dauerkrise in der von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier nach dem Scheitern von „Jamaika“ der SPD-Führung mit Argumenten staatspolitischer Verantwortung empfohlenen erneuten GroKo. Und dies nachdem man in der Wahlnacht 2017 noch schwungvoll die Oppositionsrolle ausgerufen hatte.
Historisch belegbar ist aber eine Koalition der SPD mit der Union zumindest auf Bundesebene keineswegs naturgesetzlich mit der „Verzwergung“ der Sozialdemokratie verbunden. Ganz im Gegenteil: Natürlich hat die Kanzler*Innenrolle eindeutige Darstellungsvorteile. Aber dennoch war gerade die erste Grosse Koalition in der Bundesrepublik Deutschland von 1966 bis 1969 die entscheidende Übergangsphase, quasi der Türöffner zur Kanzlerschaft Willy Brandts und der sozialliberalen Ära.
Auffallend ist jedoch ein zentraler Unterschied der Regierung Kiesinger/ Brandt zu den GroKos nach 2005: Der erfolgreiche Aufgalopp der SPD in der ersten Großen Koalition wäre ohne die überragende außenpolitische Gestaltungskraft Willy Brandts, der mit Egon Bahr als seinem brillanten „Alter Ego“ die deutsche Außenpolitik in der Rolle des Außenministers auch tatsächlich gestaltete und im Verhältnis zum damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger dominierte, nicht denkbar gewesen.
SPD im außenpolitischen Vakuum
In der heutigen GroKo liegt bei solider innenpolitischer, vor allem in der sozialpolitischen Ressort-Arbeit, die verheerende Profilschwäche der SPD im Bereich der Außen- und Europapolitik. Man kann geradezu von einem außenpolitischen Vakuum der SPD in der Bundesregierung sprechen. Hierzu nur einige Beispiele:
– Nachdem die bisherige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Referenz gegenüber der Trump-Administration markig den Aufrüstungskurs der Nato unterstützte, war von Außenminister Heiko Maas nur eine leise und brave Bestätigung des dazugehörigen 2%- Ziels bei den Rüstungsausgaben zu hören. Und dies angesichts eines Nato-Etats von 963 Milliarden Dollar im Kontrast zu dem russischen Rüstungsetat von 61,4 Milliarden Dollar.
– Wo waren der deutsche Außenminister und die gesamte sozialdemokratische Führungsriege bei der Neubesetzung der zentralen EU- Positionen nach der Europawahl? Angela Merkel überspielte mit Macron über Bande nach einigen kunstvollen Verhandlungsgirlanden den Koalitionspartner inklusive Außenminister.
– Als das Nuklearabkommen mit dem Iran von Trump aufgekündigt wurde, ließen die EU und Deutschland den Iran mit peinlichem Kanzleitrost in eine aussichtslose ökonomische Abwärtsspirale abdriften. Die von Außenminister Heiko Maas angekündigte Konstruktion der EU zur Aufrechterhaltung des Handels erwies sich als reine Luftnummer, weil sich europäische und deutsche Firmen natürlich nicht auf angedrohte amerikanische Sanktionen einlassen wollten. Geradezu absurd wirkten die auf der Durchreise des Außenministers an die iranische Regierung gerichteten Warnungen, das Abkommen einzuhalten – ohne jegliche Gegenleistung in Form einer ökonomischen Hilfe Deutschlands oder der EU.
Mützenich macht Mut
Kein Wunder, dass die SPD-Bundestagsfraktion nach der Regierungserklärung der neuen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp- Karrenbauer geradezu erlöst aufatmete und dann euphorisch applaudierte, als der kommissarische Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich, klarstellte, dass aus der Sicht der SPD zur europäischen Sicherheitspolitik nicht die annähernde Verdopplung des Verteidigungshaushalts bis 2024, sondern der Abbau von Spannungen und die Bereitschaft zum Dialog im Rahmen einer europäischen Friedensordnung gehören – und dies möglichst unter Einbeziehung Russlands.
Außenpolitische Profilstärkung unabdingbar
Fazit: Nur wenn die solide und erfolgreiche innenpolitische Ressortarbeit der SPD auch wieder von einer wahrnehmbaren, d.h. konzeptionell führenden Außenpolitik in Avantgarderolle flankiert wird, kann der Schrumpfkurs der SPD in der aktuellen GroKo gestoppt und gewendet werden.
Reine Warnrhetorik, folgenloses eloquentes Parlieren reichen dazu nicht aus. Die aktuelle außenpolitische „Beigeordneten“-Rolle des Außenministers im Verhältnis zum Kanzleramt verletzt den historisch berechtigten Stolz der Sozialdemokratie und zerstört die Basis für ihre Mobilisierungsfähigkeit bei einer Anhängerschaft, die traditionell international hochengagiert ist.
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….alter Wein in – nicht mal sonderlich – neuen Schläuchen und dann Mittels Ökoschwachsinn als Totschlagargument die breite Masse weiter zunehmend gängeln und verarmen, da hilft auch kein Pflästerchen in der Aussenpolitik, so wird das nichts mehr mit der SPD…
…ergo: aus der Agenda 2010 nichts gelernt…