Nein, ein Linksruck war das nicht, was in Berlin auf dem SPD-Parteitag verhandelt und verabschiedet wurde. Doch die journalistische und gesamtmediale Betrachtung aus dem Berliner Chatroom fand für das, was auf dem Parteitag stattfand, den gemeinsamen Nenner: „Linksruck“. Erschrecken kündeten Kommentatoren, als statt der erwarteten Entscheidung für Olaf Scholz und seine Teamfrau Klara Geywitz, sich beide auf dem zweiten Platz wiedergefunden hatten. Also bekam man es mit Norbert Walter-Borjans und mit Saskia Esken zu tun, die im Verlauf des Findungsverfahrens für eine neue Parteiführung mit ihrer Skepsis zur GroKo nicht hinterm Berg gehalten hatten.
Offenbar waren die Beobachter daran gewöhnt, dass die SPD sich in der Großen Koalition nur ungern an einmal gefasste Beschlüsse erinnern mag, wenn sie gerade nicht opportun scheinen. Desgleichen erwarteten die Kommentatoren auch jetzt und hatten faktisch die im Koalitionsvertrag vorgesehene Revisionsklausel vergessen, die allein die knappe Mehrheit der SPD für die ungeliebte GroKo nach der Bundestagswahl ermöglichte. Sie besagt, dass nach zwei Jahren überprüft werden sollte, ob Nachbesserungen des Koalitionsvertrages notwendig sind. Scholz und Geywitz standen jedenfalls für die unbedingte Fortsetzung der GroKo.
FAZ, Süddeutsche Zeitung bis zu „Bild“ bewerteten die programmatischen Beschlüsse des SPD-Parteitags einhellig unter neuer Führung als Linksruck, und nicht als ein „Weiter so“, wie es ihre Korrespondenten in Berlin erwartet hatten. Statt Analyse die allgemeine Erwartung, die SPD werde sich so ihr eigenes Grab schaufeln.
Eine gemeinsame Verständigung in der Großen Koalition auf Schärfung des Klimapakets könnte aber nach den EU-Beschlüssen geradezu unabweisbar werden, ebenso wie nach der Madrider UN- Konferenz, oder notwendig der Abschied von Hartz IV oder das Konzept zur Modernisierung der Infrastruktur und eine angemessene Erhöhung des Mindestlohnes. Das alles wird die Union nicht einfach nur mit einem Nein beantworten können. Sie hat es daher auch selbst in der Hand, die Zeitdauer der gegenwärtigen Regierungskoalition mitzubestimmen. Jede andere Konstellation jedenfalls wäre für die CDU/CSU noch schwerer zu ertragen und würde ihre inneren Schwierigkeiten weiter vergrößern, die mit einem schnellen Ende der Ära Angela Merkel verbunden wären.
Die SPD jedenfalls könnte mit diesem Parteitag wieder zu sich selbst finden als Partei der linken Mitte, die sich zurecht daran erinnert, das schon einmal von Berlin aus, mit einer mutigen Ost- und Verständigungspolitik der Kalte Krieg beendet und eine neue weltpolitische Ära begann. Jetzt kommen wieder aus Berlin erste Antworten der SPD auf den Rechtsruck in der Welt, der sich für Deutschland auch darin erklärt, dass die Parteien der Großen Koalition ihre Unterscheidbarkeit verloren hatten. Mit ihrem Berliner Parteitag nährt die SPD die Hoffnung, Unterscheidbarkeit zurück zu gewinnen.
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