Den folgenden Satz aus dem Sozialgesetzbuch elf (XI) über die soziale Pflegeversicherung sollten wir alle sorgfältig lesen. Er ist neu eingefügt und Teil der Ziffern 1 bis sechs des Paragraphen 150. Als Ziffer sechs steht da: „Die Absätze 1 bis 5 gelten bis einschließlich 30. September 2020.“ Danach gelten die Absätze nicht mehr.
Der Satz lautet: „Den zugelassenen Pflegeeinrichtungen werden die ihnen infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 anfallenden, außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen im Rahmen ihrer Leistungserbringung, die nicht anderweitig finanziert werden, erstattet.“ Dieser Satz ist Grundlage des „Rettungsschirms“ für die stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Sollte es im häuslichen Bereich zu Versorgungsengpässen kommen, können auch dabei entstehende Kosten erstattet werden.
Auf diese Grundlage haben sich am vergangenen Wochenende die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung in Beratungen mit den Kranken- und Pflegekassen verständigt und beschlossen, dass Ausgaben für mehr Personal, für Desinfektion, Schutzkleidung, Schutzmasken und anderes mehr aus den Rücklagen der Pflegekassen finanziert werden. Die Sozialpolitiker der SPD um die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt haben auf den letzten Drücker während der Beratungen durchgesetzt, dass auch die körperlich oder geistig behinderten Menschen zu denen zählen, die unter diesem Schirm Schutz finden können.
Deren Lage ist oft besonders prekär, weil viele den Sinn von körperlichen Abstandsgeboten nicht verstehen können und die infektionshygienischen Vorschriften daher gut kontrolliert werden müssen. In den vergangenen Wochen hatten zudem Sozialpolitiker ernüchtert beklagt, dass zwar die Krankenhäuser unentwegt in der Diskussion stünden und Hilfen erhielten, die Millionen pflegebedürftige und behinderte Menschen aber kaum Beachtung fänden. Das hat sich jetzt geändert.
Wenn es jetzt um Fragen der Pflegepraxis gehe, erklärt der für die ambulante Pflege zuständige Geschäftsführer des Verbandes der privaten Pflegeanbieter (BPA), Bernd Tews, werde zugehört. Es werde schnell, unaufgeregt und zielgerichtet gehandelt. Es sei ein gemeinsamer Grundkonsens während der Krise, also im Ausnahmezustand vorherrschend. Vielleicht werden nun, so ist zu hoffen, Gräben im konfliktreichen Pflegebereich zugeschüttet.
Es bleiben noch Punkte offen: Es gibt Hunderttausende alter, hilfsbedürftiger Menschen, die bis in die vergangenen Wochen überleben konnten, weil sie durch eine Mischung aus Haushalts- und Einkaufshilfe sowie Tagesbetreuung gestützt wurden. Teils sozialrechtlich und steuerlich einwandfrei geregelt, teils aber auch am Gesetz vorbei. Die Stützen fehlen, weil Grenzen dicht gemacht wurden. Da sind Probleme entstanden.
Für Hunderttausende fehlen Not-und Alarm- Netze. Es gibt ein Heer von alten, kranken Menschen, etwa an fortgeschrittenem Parkinson Erkrankten, die sich jetzt nicht mehr helfen können. Ambulante Pflege hatten die bislang meist nicht. Der Rettungsschirm sollte also rasch weiter ausgedehnt werden.
Vor allem muss nun rasch dafür gesorgt werden, dass in den Pflegeeinrichtungen und in der häuslichen Pflege genügend und als Vorrat Schutzkleidung und Schutzmasken vorhanden sind. Das ist schwierig, weil das Angebot derzeit nicht reicht. Aber viel Zeit bleibt da nicht.
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'Rettungsschirm mit Löchern: Im Pflegebereich fehlen Hunderttausenden Not- und Alarm-Netze' hat keine Kommentare
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