Das war der Peer Steinbrück, wie man ihn seit langem kennt, fürchtet, bewundert, lobt und kritisiert: Arrogant, besserwisserisch, selbstgefällig und – das werfen ihm viele bestimmt auch vor – unsolidarisch. Wie der Mann mit seiner brillanten Intelligenz, großartigen Analyse-Fähigkeit, bezwingenden Eloquenz im ZDF bei „Markus Lanz“ über die neue Führung der SPD herzog und seine Partei zerlegte, das konnte einem Atem und Sprache verschlagen.
Steinbrück, der für die und in der SPD schon vieles war bis hin zum Kanzlerkandidaten, ätzte im Stakkato: Nur noch acht Prozent der Wähler halten die SPD für zukunftsgewandt und zukunftskompetent. „Das ist eine dramatisch schlechte Zahl.“ Bei Existenzgründern sei die SPD kaum gefragt. Bei den unter 35-Jährigen lande sie bei sieben bis acht Prozent. „Der überwiegende Teil der Bevölkerung“ sehe die Themen Innere Sicherheit und Rechtsstaat „nicht vordergründig bei der SPD“. Vielfach herrsche der Eindruck vor, „dass die SPD zwar für Bedürftige eintritt, aber diejenigen, die das Bruttosozialprodukt erwirtschaften, weniger im Blick hat“.
Und dann das vernichtende Urteil über die noch relativ neue Parteiführung Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans: Er habe „gelinde Zweifel“, lästerte Steinbrück, dass die beiden eine Zukunftsstrategie für die SPD entwickeln könnten. „Mein Optimismus hält sich in Grenzen.“ Stephan Weil, Franziska Giffey, Olaf Scholz – „die haben Flughöhe, oder in Hamburg würde man sagen die Wasserverdrängung“. Der Umkehrschluss ist unausgedrückt ausdrücklich gewollt: Walter Borjans und Saskia Esken haben‘s nicht.
Wer jetzt in blinder Genossen-Solidarität auf Peer Steinbrück eindreschen will, sollte erst einmal ein Video anschauen, das auf Youtube gespeichert ist: Die beiden SPD-Vorsitzenden am 27. Januar vor der Hauptstadtpresse:
Sowas kann man nicht aufschreiben. Das muss man gesehen haben in seiner ganzen Erbärmlichkeit. Vor allem von Saskia Esken – peinliches Gestammel, ineinander geschachtelte Halbsätze, Bandwurmgebilde, die keinen kompletten Satz ergeben. Wer nach solcher Performance noch überzeugt ist, dieses Tandem könne die Wähler hinter sich versammeln und die SPD in eine bessere Zukunft führen, der glaubt vielleicht auch an den Weihnachtsmann. Man will es nicht wahrhaben, dass die beiden im übertragenen Sinne mit je einer Gesäßhälfte auf dem Stuhl des großen Willy Brandt sitzen.
Entzaubert auch der jugendliche Zampano und Talk-Show-Star, Juso-Chef Kevin Kühnert. Diesem begnadeten Strippenzieher hat die SPD ganz wesentlich ihre neuen Vorsitzenden zu verdanken. Jetzt, wo man sieht, was damit angerichtet wurde, kann man fast schon von parteischädigendem Verhalten sprechen.
Die Prognose sei gewagt: Bei der anstehenden Hamburg-Wahl wird die SPD dramatisch an Stimmen verlieren, aber wohl trotzdem noch einmal stärkste Partei, kann also weiter den Regierungschef stellen. Mit autosuggestiver Meisterschaft, Niederlagen schön zu reden, werden sich die Genossen als Sieger fühlen – ein letztes Mal, denn danach wird’s schrecklich – im nächsten Jahr mit fünf Landtagswahlen und der Bundestagswahl.
Spätestens dann wird schon wieder die Frage nach dem oder den nächsten Parteivorsitzenden gestellt. Und bestimmt wird erneut der Name dieser Wunder- und Zaubergenossin Franziska Giffey genannt. Schon jetzt brachten ihn einige Medien und auch Peer Steinbrück bei Lanz wieder ins Spiel. Wegen Unklarheiten mit ihrer Dissertation trat sie nicht beim Wettbewerb um den SPD-Bundesvorsitz an. Demnächst aber will sie die Berliner SPD führen. Was für ein Glück für die Genossen an der Spree. Und wenn sie dort eines Tages regierende Bürgermeisterin wird – es darf phantasiert werden – könnte Franziska Giffey doch wie vor vielen Jahrzehnten der legendäre Willy Brandt von Berlin aus nach der Macht im Bund greifen. Welch schönes Zukunftsmärchen! Aber was ist, wenn es die SPD dann faktisch nicht mehr gibt???
Und jetzt ein Bekenntnis von mir, dem Autoren: Ich werde in Hamburg trotzdem und vielleicht wider alle Vernunft SPD wählen. Damit sie vielleicht doch noch überlebt. Denn man stelle sich beim Blick zurück und dann nach vorn vor: Wie sähe unsere Republik aus ohne eine wirkmächtige Sozialdemokratie?