Nein, ich bin auf keinen Fall für Olaf Scholz, sondern für Norbert Walter-Borjans. Ich bin gegen einen SPD-Chef Olaf Scholz, weil der Hamburger seit Jahr und Tag in der Spitze der ältesten deutschen Partei Verantwortung trägt und somit auch einen Teil Verantwortung für deren Niedergang sich anlasten muss. Was denn sonst?! Er ist Vizekanzler in der Regierung Merkel und als solcher nicht in der Lage, der SPD Profil zu verleihen. Er hat es nicht geschafft, die Anhänger, Sympathisanten und Freunde der Sozialdemokratie für deren Ideen und Ideale zu mobilisieren. Nein, diesen Olaf Scholz kann und will ich mir nicht weiter vorstellen müssen als Aushängeschild der Sozialdemokratie.
Wofür eigentlich steht dieser Olaf Scholz, der erst nicht antreten wollte, als es darum ging, einen neuen Vorsitzenden der SPD zu ermitteln, genauer ein Paar. Erst zögerte und zauderte er, dann, als die sogenannte Prominenz sich vornehm oder besser ängstlich zurückhielt, warf er seinen Hut in den Ring. Warum er SPD-Chef werden will, wofür er steht, das erschließt sich mir nicht.
Als Bundesfinanzminister hat er den Arbeitsstil seines Vorgängers Wolfgang Schäuble übernommen und trägt die schwarze Null wie eine Monstranz vor sich her. Gestalten ist nicht seine Sache. Dabei schreit die in vielen Bereichen marode Infrastruktur in Deutschland nach Investitionen. Man schaue sich die kaputten Schulen an, nehme dazu die Tausenden fehlenden Lehrkräfte, den Unterrichtsausfall- und dann erheben wir das Thema Bildung zum Top-Thema. Lächerlich klingt das, unglaubwürdig. Geld ist da, wir könnten es in die Bildung stecken, wir könnten Kredite aufnehmen, sie kosten ja kaum was. Finanzexperten haben sich längst dafür ausgesprochen. Aber der Bundesfinanzminister legt lieber die Hände in den Schoß.
Im Schatten der Kanzlerin
Schauen wir unsere Straßen an, die Brücken, die Schienen, die Züge, überall dominiert der Mangel, Abbruch statt Aufbruch. Mobilität als Thema des Jahres? Ein Witz. Wir klagen über schlechte Luft, verseuchte Böden, den Verkehrslärm, Klimaschutz wird ins Zentrum aller Debatten gestellt. Wo ist das Konzept, die Finanzierung? Reformen wären nötig, besser eine Revolution- aber wer packt an, krempelt die Ärmel hoch? Der Vizekanzler lebt gemütlich im Schatten einer Kanzlerin, die die letzten Monate ihrer am Ende 16jährigen Dienstzeit ruhig und von Parteiauseinandersetzungen ungestört ins Ziel bringen will.Angela Merkel fährt auf Sicht, regiert mit ruhiger Hand. Und ihr Koalitionspartner schaut interessiert zu.
Das Profil der SPD? Fehlanzeige. Hier ein bisschen Grundrente, da etwas Gute-Kita-Gesetz, ein Mindestlohn. Der große Wurf ist nicht zu erkennen, eher wirkt es wie Flickwerk. Es stimmt schon, was Norbert Walter-Borjans kritisch festgestellt hat: Scholz und Co gehen schon mit Kompromissvorschlägen in Verhandlungen und wundern sich am Ende, dass das Erreichte dann nicht als Erfolg gewertet wird. Überhaupt vermisse ich bei der jetzigen SPD-Führung den aufrechten Gang. Sie gehen gebückt durch die Republik, dabei tragen sie doch eine lange und stolze Geschichte mit sich, die ihresgleichen sucht. Wie kann es passieren, dass den Grünen attestiert wird, sie seien das glaubwürdige Bollwerk gegen den Antisemitismus, gegen eine Partei wie die rechtspopulistische AfD, die durchsetzt ist mit Neonazis, Fremdenfeinden, Rassisten, die der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder auf dem CDU-Parteitag in Leipzig die neue NPD genannt hat. Recht hat er. Klare Kante gegen diese Partei. Wo ist in diesem Kampf eigentlich die SPD, deren Mitglieder doch nach 1933 als erste von den Nazis verfolgt und eingesperrt, später verboten und ermordet wurden? Der Feind steht rechts.
Wo ist das Selbstbewusstsein der SPD? Ich wiederhole mich gern und zitiere in diesem Zusammenhang Hans-Jochen Vogel,den langjährigen SPD-Fraktions- und Parteichef, der sich aufgerieben hat für seine SPD, der immer wieder auf die Geschichte seiner Partei hinweist, auf die man stolz sein müsse, eine Geschichte, die keine andere Partei zu bieten hat. Vogel ist 93 Jahre alt, er würde, wäre er nicht krank, gern zum SPD-Parteitag Anfang Dezember in Berlin fahren. Seine Stimme fehlt.
Gegen Steuerbetrüger
Norbert Walter-Borjans bewirbt sich mit Saskia Eskens um den Parteivorsitz, einer Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg. Walter-Borjans war vor vielen Jahren Vize-Regierungssprecher des langjährigen Ministerpräsidenten Johannes Rau, er war zuletzt Finanzminister im Kabinett der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Aufgefallen ist er damals durch seinen Kampf gegen reiche Steuersünder, die er zur Kasse bitten konnte. Der Ankauf von CDs wurde ihm von der politischen Konkurrenz aus der CDU und der FDP angelastet, die Rede war von Hehlerei des Staates. Zum Lachen. Denn der Minister konnte durch die CDs Steuerbetrüger überführen und die Staatskasse um Milliarden Euro bereichern. Dass Hannelore Kraft dieses Thema nicht zum Wahlkampfhit gemacht hat, war unverständlich wie ihr gesamter Wahlkampf, der eigentlich keiner war. Dass sie am Ende gegen Armin Laschet verlor, war dann fast logisch.
Walter-Borjans hat betont, mit ihm als SPD-Chef werde es nicht automatisch zum Bruch der Groko kommen. Aber das Regieren wird für Merkel und Co. schwieriger werden, die SPD wird mit erhobenem Haupt in Verhandlungen mit der Union gehen und nicht schlucken, was der Partner ihr vorsetzt. Es kann das voreilige Ende dieser Regierung bedeuten, Merkel könnte als Minderheitsregierung weitermachen, es muss nicht zu Neuwahlen kommen. Die Republik wäre dadurch nicht bedroht. Die Frage der Kanzlerkandidatur der SPD wäre im Falle eines SPD-Führungs-Duos Esken/Walter-Borjans wie bei der Union erst in einem Jahr fällig, nicht jetzt. Und der Kandidat hieße nicht Olaf Scholz.
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