Von Angela Merkel schwärmen heute viele im Lande, vor allem auch jene, die sie noch vor einigen Monaten längst gern auf dem Altenteil gesehen hätten. Die Corona-Krise hat inzwischen alles verändert: Die Kanzlerin regiert mit großem Engagement, beschließt mit ihrem GroKo-Kabinett zügig wie nie zuvor, was sie für Deutschland für richtig und wichtig hält – vom Lockdown bis hin zum Wumms-Paket.
CDU/CSU bei 40 %
Merkel und ihr Team genießen bei den meisten Wählerinnen und Wählern derzeit soviel Vertrauen wie selten zuvor. Fast 50 % der Bevölkerung trauen der Union zu, mit der Krise fertig zu werden. CDU und CSU würden um die 40 % der Stimmen erhalten, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre.
Doch die nächste Bundestagswahl wird erst im Herbst 2021 stattfinden. Bis dahin kann sich noch vieles verändern. In den Monaten bis dahin wird es vor allem darum gehen, die bitteren Folgen der Corona-Krise zu meistern, die deutsche Wirtschaft aus dem tiefen Rezessionstal zu führen, Unternehmen und Existenzen zu sichern, die Zahl der Arbeitslosen zu begrenzen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Das ist eine Herkulesaufgabe, die für die Zukunft unseres Landes zu bewältigen sein wird und weit in die nächste Legislaturperiode hinein höchste Anforderungen an die Politik stellen wird.
Suche nach neuem Vorsitzenden
Die SPD hat nach mehreren Versuchen das Führungsdoppel Sakia Esken und Norbert Walter-Borjans gefunden. Die CDU wollte bereits im April die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer für den Parteivorsitz festlegen, musste dies jedoch wegen der Pandemie verschieben. Nun soll im Dezember auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart ein neuer Vorsitzender von den 1001 Delegierten gewählt werden. Die Liste mit den drei Bewerbern steht fest und spiegelt ein gutes Potenzial von Unionspersönlichkeiten wider. Vor allem hat sich Armin Laschet in dieser Corona-Krisenzeit als sehr aktiver Polit-Manager profilieren können. Wie auch Kollegen aus anderen Bundesländern hat er die enge Abstimmung mit der Bundeskanzlerin gepflegt, doch zugleich eigene Schritte für Nordrhein-Westfalen etwa bei den Lockerungsmaßnahmen gewagt. Ihm ging es insbesondere darum, die wirtschaftlichen, gesundheitlichen und psychologischen Kollateralschäden des Lockdown in Grenzen zu halten. Inzwischen – darauf weist Laschet jetzt hin – „gibt es mehr als 75 % weniger Neuinfektionen“ in seinem Land seit Beginn der ersten Lockerungen am 20. April. Seine gewagte Strategie hat ihm jedoch nicht so viel Zustimmung wie erhofft gebracht; seine demoskopischen Werte fallen aktuell nicht gerade positiv aus.
Armin Laschet mit starkem Team
Armin Laschet hat in dieser Krisenphase zum einen ganz eng mit Virologen und Medizinern kooperiert, zum anderen mit politischen Freunden, vor allem mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn, aber ebenso mit dem NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, seinem FDP-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und anderen Kabinettskollegen. Zugleich bot ihm diese Krise viele Chancen, publikumswirksam öffentlich in den Medien aufzutreten und seinen Kurs zu erklären. Seit seinem Einzug in die Düsseldorfer Staatskanzlei hat der Mann aus Aachen an Profil gewonnen. Dabei kommen ihm seine Erfahrungen, die er als Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Europaparlament sowie als Landtagsabgeordneter machen konnte, zugute. Laschet ist Versöhner, kein Spalter. Das prädestiniert ihn vor allem für den Vorsitz der CDU, denn er will sie wieder zu einer starken Volkspartei machen und an Erfolge anknüpfen, wie sie unter Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel errungen wurden. Deshalb macht er sich auch für die Verbindung von Parteivorsitz und Kanzlerschaft stark.
Friedrich Merz zur Zeit im Leerlauf
Während Armin Laschet in den letzten Monaten als engagierter Akteur Politik entscheidend mitbestimmte und mitgestaltete, mussten seine Konkurrenten um den CDU-Vorsitz sich mehr oder weniger mit einem Tribünenplatz in der politischen Arena begnügen. Friedrich Merz, der vor der Corona-Krise auf manchen CDU-Veranstaltungen viel Beifall insbesondere aus Kreisen der Wirtschaft erhielt, musste danach mehr oder weniger in den Leerlauf schalten. Politische Funktionen übt er seit langem nicht mehr aus. Dafür war er viele Jahre hindurch in Aufsichtsräten einiger Firmen aktiv und erfolgreich. Seit kurzem steht er als Vize-Vorsitzender an der Spitze des CDU-Wirtschaftsrates. Mit Interviews mischt Friedrich Merz jedoch in der politische Szenerie durchaus mit und präsentiert sich dabei etwa im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kürzlich kam er auch in der Bild-Zeitung mit „fünf Wahrheiten über das Wumms-Paket“ zu Wort. Es war jedoch nur sein dramatischer Befund mit fünf Wahrheiten über die Konjunkturhilfen und die Corona-Krise. Seine Diagnose bot indessen nichts Neues. Ansonsten fand er, dass die Kraftanstrengungen der Bundesregierung in die richtige Richtung gehen, der Staat jedoch nicht jeden ausgefallenen Umsatz ersetzen kann, im Herbst die Arbeitslosigkeit steigen wird und der Sozialstaat dank seiner Leistungsfähigkeit niemand ins Bodenlose fallen lassen wird. Und schließlich erwartet Friedrich Merz einen Technologieschub vor allem bei der Digitalisierung als Chance in der Post-Corona-Zeit. Sein Lobgesang auf Angela Merkel und ihr Team wird im Kanzleramt auf offene Ohren stoßen und in der CDU gewiss großen Eindruck machen, obwohl einige von dem Superwirtschaftsexperten aus dem Sauerland nicht nur schon zuvor öffentlich bekannte Wahrheiten, sondern einige bessere Vorschläge für den Zukunftskurs unserer Republik erwartet hätten. Aber das könnte Friedrich Merz in der nächsten Zeit bis zur Wahl des Parteivorsitzenden noch nachschieben.
Norbert Röttgen als Außenseiter
Der dritte Bewerber um das höchste CDU-Parteiamt, Norbert Röttgen, spielt seine Rolle als kundiger und vornehmer Außenpolitiker – vornehmlich auch in Zeitungsinterviews und als ganz wichtiger Gast in den Talkshows des Fernsehens. Immerhin ist er der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, den manche seiner Kollegen als den „besten Rotaryclub“ bezeichnen. Ob der einstige Umweltminister mit seinen Ergüssen zu politischen Ereignissen in Russland, in den USA, in China und anderswo in der Welt bei den christlich-demokratischen Delegierten punkten kann, bleibt wohl sehr fraglich, obwohl er stets rhetorisch gut formuliert und äußere Eleganz verströmt.
CDU: Parteigeschlossenheit hat höchste Priorität
Der Wettbewerb der drei Kandidaten wird bis zum Dezember noch Fahrt aufnehmen. Die Delegierten sind vielfach Mandatsträger, die auf ihre nächsten Wahlen blicken und sich letztlich danach entscheiden, wer von dem Spitzentrio ihm eigenen Wahlchancen optimieren wird. Zudem sehnt sich die übergroße Mehrheit in der CDU nach einer Geschlossenheit der Partei: Dazu gehört insbesondere das irenische Zusammenführen der sogenannten Flügel, also den Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA) auf der einen Seite und der Wirtschaftsseite mit dem Wirtschaftsrat und dem Mittelstand. Programmatisch wird es kaum unüberwindbare Hindernisse geben, denn es geht vor allem um die Erneuerung und Fortschreibung der Sozialen Marktwirtschaft, um die Welt des technologischen Wandels mit der Digitalisierung, Künstlichen Intelligenz, Roboterisierung u. ä. Am wichtigsten wird jedoch sein genau und verständlich zu definieren, wofür die CDU in Zukunft stehen wird, um insbesondere auch für jüngere Menschen wieder attraktiver zu werden. Die Wahlerfolge der Grünen bei der Generation unter 30 Jahren werden im Konrad-Adenauer-Haus gewiss nachdenklich stimmen.
Kanzlerkandidatur: Söder bleibt in Bayern
Nach der Wahl des CDU-Vorsitzenden wird es zunächst eine Verständigung mit der CSU darüber geben müssen, wer im nächsten Jahr als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen wird. Dem CSU-Chef Markus Söder werden aktuellen demoskopischen Befunden zufolge die besten Chancen als Bewerber um das Kanzleramt eingeräumt: 48 % der Befragten nennen ihn, Friedrich Merz 14 %, Armin Laschet 7 %, Jens Spahn 4 % und Norbert Röttgen 3 %. Doch Markus Söder hat wiederholt öffentlich kund getan, dass sein Platz in Bayern ist und wohl auch bleiben soll. Ziemlich sicher ist damit, dass der nächste CDU-Bundesvorsitzende auch der nächste Bundeskanzler wird. Mit der strategischen Mehrheit wird er die Grünen, die derzeit bei 15 % liegen, in eine zukünftige Regierungskoalition locken können oder auch mit der SPD über die Fortsetzung des Regierens sprechen, um gemeinsam den langen Marsch aus dem Lockdown zu bewältigen. Sicher ist auf jeden Fall: Angela Merkel wird 2021 abdanken und das Kanzleramt für ihren Nachfolger frei machen.
Bildquelle: Wikipedia, Daniel71953, public domain
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