Martin Schulz, dies sei gleich an den Anfang gestellt, ist der denkbar schlechteste Vorsitzende der krisengeschüttelten SPD. Denn er ist Verursacher und Teil der Krise. So wenig rational der 100-Prozent-Hype zu Beginn seiner Amtszeit war, so unvernünftig und lähmend wäre es, würde die Partei dauerhaft an diesem Vorsitzenden festhalten.
Das knappe 56-Prozent-Votum des Bonner Parteitages für Koalitionsverhandlungen mit der Union war für sich genommen schon eine schallende Ohrfeige für einen Parteichef ohne Autorität. Und es darf bezweifelt werden, ob es überhaupt zustande gekommen wäre ohne die fulminante Kampfes- und Motivationsrede der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles. Sie hat Schulz den A…. gerettet.
Mit dem stets aufgesetzt-aufdringlichen Pathos, das Schulz wohl für Rhetorik hält, hatte er direkt nach der Bundestagswahl am 24. September jedwede Neuauflage einer großen Koalition ausgeschlossen. Und gleich nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ließ er per SPD-Vorstandsbeschluss diese Verweigerung ohne Not noch einmal festschreiben.
Wenn sich dann bei den Genossen irgendwann – vor allem wegen der Mahnung des Bundespräsidenten – die Überzeugung durchsetzte, dass man doch mit der Union verhandeln müsse, gab es einen, der dafür überhaupt nicht in Frage kam: Der dröhnende Neinsager an der Spitze: Martin Schulz. Er hätte zurücktreten und einem anderen die Verhandlungsführung übertragen müssen. So aber verkörpert ausgerechnet der Vorsitzende wie kein Zweiter das Glaubwürdigkeitsproblem der gesamten Partei. Martin Schulz führte die Partei nicht nach vorne, sondern in eine existenzbedrohende Zerreißprobe.
Die Argumente, mit denen Schulz für die Neuauflage einer Großen Koalition warb – auf dem Parteitag und ein paar Stunden später im Fernsehen bei Anne Will – wirkten nur noch lächerlich. Denn alle hätte man genauso schon nach der Bundestagswahl wie nach dem Scheitern von Jamaika ins Feld führen können.
Auch das typisch Schulz: Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der Union hatte er vollmundig als hervorragend bezeichnet. Auf dem Bonner Parteitag aber köderte er unzufriedene Genossen mit genauso vollmundigen Versprechungen umfangreicher Nachbesserungen. So hervorragend also waren die Sondierungsergebnisse wohl doch nicht. Man darf auf die nächste Volte des Martin Schulz gespannt sein, wenn er auch diese Ansage nicht hält: „konkrete Maßnahmen zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin“, mehr Familiennachzug für Flüchtlinge, befristete Arbeitsverträge nur als Ausnahme.
Die Erneuerung der SPD – das haben sich die Delegierten auf dem Bonner Parteitag geradezu autosuggestiv versprochen – diesmal soll sie wirklich klappen. Aber gewiss nicht mit dem Vorsitzenden Martin Schulz.
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