Erleichterung nach dem Kompromiss, den man auch einen Kuhhandel nennen kann? Mag sein, wenn man vergesslich ist und großzügig. Beifall? Auf keinen Fall!. Was unsere Spitzenpolitiker mit der Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel an der Spitze, dem Bundesinnenminister, CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Chefin Andrea Nahles sich in den letzten Tagen geleistet haben, kann nur Kopfschütteln auslösen. Erst wollen sie einen Beamten, den Präsidenten des Verfassungsschutzes, zum Staatssekretär befördern, obwohl er durch Äußerungen zu fremdenfeindlichen Vorgängen in Chemnitz das Vertrauen der Regierungsspitze verloren hat und eigentlich hätte gefeuert werden müssen. Dann, nachdem sie draußen beim Publikum Prügel bezogen und laute Proteste hervorgerufen haben, gehen sie angeblich in sich, sagen „mea culpa“ und erfinden einen neuen Job für den Herrn Maassen, der nun Sonderberater des Innenministers werden soll. Gehts noch?
Merkel ohne Antenne
Nein, das ist nicht gut, das ist kein Zeichen einer überlegten Politik. Nicht von der Kanzlerin, die offensichtlich zu schwach geworden ist in dieser Legislaturperiode, um sich gegen einen wie Herrn Seehofer durchzusetzen. Aber warum hat Merkel zunächst den Maassen, den sie aus verständlichen Gründen nicht besonders schätzt, noch befördern wollen? Hat sie die Antenne für Stimmungen draußen verloren? Ist niemand unter ihren Beratern, der ihr abgeraten hat? Es musste ihr doch klar sein, dass auch CDU-Sympathisanten die in Berlin für verrückt erklären würden ob solcher Personalpolitik. Haben die in Berlin noch alle? Diese Frage habe ich in den letzten Tagen immer wieder gehört.
Nahles ohne Gespür
Oder nehmen wir Frau Nahles. Hat sie nicht gemerkt, dass es unmöglich wirken muss, einen wie Maassen noch zu befördern? Ein Mann, der sich selber in die Nähe der Rechtsaußen gebracht hat, gewollt oder nicht, und den man in die Wüste schicken wollte. Ein Mann, der seit Wochen den Beifall von der falschen Seite erhält, nämlich der AfD. Wieso stimmte sie dem Personalvorschlag von Seehofer zu? Einen politischen Beamten zu beurlauben, gehört zum kleinen Einmaleins der Politik. Jeder andere Arbeitnehmer, der teils ohne Schuld seinen Job verliert, muss die Welt als ungerecht empfinden, muss Zweifel haben, warum dieser Mann so weich fallen muss.
Seehofer-der Zerstörer
Und dann der Herr Seehofer. Der Mann ist 69 Jahre alt, aber er wirkt ob seines Trotzes und seiner Sturheit viel älter. Er scheint nur noch im Sinn zu haben, irgendwie die Kanzlerin stürzen zu wollen, oder ihr zumindest so zu schaden, dass im Falles seines eigenen Sturzes sie mit ihm zu Boden geht. Ist das Politik? Der Horst Seehofer hat früher immer wieder darauf hingewiesen, dass er seine Leute kenne, dass er wisse, wie des Volkes Meinung ist. Hat er wirklich geglaubt, dass der Großteil der CSU-Freunde im Freistaat es gut findet, wenn er einen tadelungswürdigen Beamten noch befördert, ihm über die Staatskasse noch einmal 3000 Euro mehr im Monat auszahlen lassen will? Hat er das alles nicht gespürt? Und eine Frage an Herrn Söder: Wieso greift der Ministerpräsident nicht ein, wenn der CSU-Chef alles daran setzt, dass aus der einstigen stolzen Staatspartei bei der kommenden Landtagswahl eine kümmerliche Regionalpartei wird, die in Berlin nicht mehr ernst genommen wird?
Gleichgewicht in Gefahr
Man rechnet damit, dass Seehofer nach dem 14. Oktober aufs Altenteil gehen wird, gegangen wird, weil er als der Schuldige gelten wird, wenn der Fall der CSU so tief wird, wie er durch alle Umfragen seit einiger Zeit vorhergesagt wird. Warum lässt man den störrischen Mann aus Ingolstadt gewähren? Oder erfreut man sich daran, wie die einst mächtige Kanzlerin ins Straucheln gerät? Ja, es stimmt, die CDU-Chefin ist nicht mehr die starke Frau in Deutschland und auch nicht in Europa. Sie kann nicht mehr zusammenbinden, was dringend zusammengehörte. Sie lebt nur noch von ihrer Erfahrung. Und doch wäre ein vorzeitiger Sturz bitter, nicht nur für sie, sondern auch für die Republik. Deutschland war mal das Musterbeispiel an Stabilität, Europa, ja Teile der Welt beneideten uns um das Gleichgewicht in Politik und Gesellschaft. Wir sollten das nicht riskieren, dass hier etwas auseinanderbricht. Habt Ihr sie noch alle? hört man Stimmen von außerhalb des Landes.
SPD ohne Kopf und ohne Kurs
Es gehört Mut dazu, eigene Fehler öffentlich einzugestehen. Es ist gut, dass Andrea Nahles diese Kurve gerade noch gekriegt hat, denn sie war schon dabei, aus derselben zu fliegen. Im Frühjahr hat sie mit großem Engagement einen Sonderparteitag der SPD in Bonn dafür gewinnen können, trotz aller Bedenken einer Großen Koalition zuzustimmen. Ohne Nahles wäre dieser Parteitag gescheitert, weil der amtierende Vorsitzende, Martin Schulz, zu schwach war. Es war ein knappes Ergebnis. Und es gab nicht wenige Stimmen, die damals schon der früheren linken Sozialdemokratin das Zeug absprachen, die älteste deutsche Partei zu erneuern und sie aus ihrem Tief wieder in einstige Höhen zu führen. Bisher hat Nahles nicht erkennen lassen, wohin sie die SPD führen will. Es sei denn, man wertet ihre Entscheidung, die Historische Kommission der SPD aufzulösen, als Schritt in die richtige Richtung. Die Proteste vieler Intellektueller dagegen zeigen aber, dass dies eine Fehlentscheidung war. Die Geschichte der SPD und der Arbeiterbewegung ist ein Pfund, mit dem man wuchern sollte. Gerade jetzt, da nationalistische und fremdenfeindliche Kräfte den Zusammenhalt der Gesellschaft in Frage stellen. Andrea Nahles hatte mal den damaligen SPD-Chef und Bundeskanzler Gerhard Schröder als Abrissbirne der SPD gescholten. Heute muss sie sich gefallen lassen, dass dieser Vorwurf auf sie zurückfällt. Der Partei fehlt ein Kopf und ein Kurs.
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